Reise nach Graz

Graz ist alt; schon im 11. Jahrhundert hat auf dem Schlossberg eine Burg gestanden. Wer die Altstadt durchstreift, erhält im Vorbeigehen Anschauungsunterricht in Romanik, Gotik, Renaissance, Barock, Historismus, Jugendstil, blickt vom Schlossberg hinunter auf eine Dachlandschaft, die einmalig ist und unter der sich Einmaliges verbirgt: romantische Gassen, in denen italienisch anmutende Palazzi und stolze Bürgerhäuser um die Aufmerksamkeit des Betrachters wetteifern, ohne die kühle Schönheit ihrer Innenhöfe und andere Geheimnisse einfach so preiszugeben.

Graz, das ist: Eine gotische Doppelwendeltreppe als steinernes Rückgrat der Grazer Burg. Ein Zeughaus, in dem gefährlich schön die Waffen und Harnische des Mittelalters schimmern. Eine Befestigungsanlage, die nie erobert und trotzdem gesprengt wurde. Ein Schloss mit 365 Fenstern, erbaut nach den Prinzipien der Magie. Ein Uhrturm mit “verkehrter” Zeit. Die Experten der UNESCO waren vom Zusammenspiel dieser vielen Details so beeindruckt, dass sie die Grazer Altstadt unlängst zum Weltkulturerbe erklärt haben.

Dabei ist die City alles andere als ein Museum. Die zeitgenössische Architektur der “Grazer Schule” setzt aufregende Akzente in der Stadt. Sie sind auch Zeichen eines regen Kulturlebens, das von zahlreichen Festivals und Institutionen getragen wird. Das Musikfestival “styriarte” mit dem Stardirigenten Nikolaus Harnoncourt als Galionsfigur, der “steirische herbst” als Checkpoint kultureller Strömungen, das Erzählkunstfestival “Graz erzählt”, das Straßen- und Puppentheaterfestival “La Strada”, die österreichische Filmschau “Diagonale”, Schauspielhaus und Oper, freie Bühnen, Museen, Galerien, ein feiner Kultursommer zwischen Klassik und Jazz: Das alles macht Graz mit aus.

Und haben wir schon erwähnt, dass ein Fünftel der 250.000 Bewohner Studenten sind, inskribiert an einer von drei Grazer Universitäten? Wahrscheinlich sind die Studenten mit schuld daran, dass die “Pensionopolis” des 19. Jahrhunderts heute als lebhafter Tummelplatz an der Schwelle zu Europas Südosten reüssiert. Wollten wir ein Bild für die schillernde Existenz der Stadt zwischen Tradition und Modernität finden: Die Grazer Lokalszene, das Geschäftsleben zwischen Kaffeehauskultur und urbaner Coolness spiegeln Lebensgefühl und Unternehmergeist der Stadt perfekt wider.

Und sollte der Unternehmergeist mal von der Unternehmungslust abgelöst werden, ist Graz ohnehin nicht zu schlagen. Was darf’s denn sein? Live-Musik? Jazz? Disco? Kino? Oder einfach ein Abend im Haubenrestaurant? Das Nachtleben in Graz ist legendär. Und vergessen wir nicht den Tag danach: Wie jede stilsichere Lady trägt auch Graz kostbares Geschmeide um den Hals. Rund um die Stadt legen sich, wie aufgefädelt, funkelnde Ausflugsziele: Piber, das Gestüt der weltberühmten tanzenden Lipizzanerpferde etwa. Oder die lyrischen Landschaften der steirischen Weinregionen mit ihren edlen Tropfen, die es in den gemütlichen Buschenschänken zu verkosten gilt. Die steirischen Thermen, mal lebhaft, mal exklusiv.

Und abends kehren Sie dann nach Graz zurück, zum Ausgehen und Spaß haben. Da ist die Stadt noch immer nicht zur Metropolis geworden. Dafür sind die Kellner zu nett, die Parkgebühren zu niedrig, die Hotelbetten zu wenig durchgelegen. Und mitten im Herzen der City, beim Aperitif im Straßencafé, blinzelt auch abends noch ein unermüdlicher Sonnenstrahl über einen Dachfirst. Ein Passant summt, nur für sich und für Sie, im Vorbeigehen “My Baby Just Cares For Me”. Und Sie wissen, Sie können noch ein paar Tage bleiben. Spätestens dann ist es um Sie geschehen. Dann haben Sie auch eine heimliche Liebe in Österreich.