Reise nach Tallinn

Die wichtigste Attraktion Tallinns ist seine mittelalterliche Altstadt. Die estnische Metropole darf sich als eine der ältesten und am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte Europa bezeichnen. Shoppingfans, die etwas Besonderes suchen, sind in Tallinn ebenfalls an der richtigen Adresse. Und in den vielen Strassencafes in den verwinkelten Gassen kann man vorzüglich die milden, hellen Nächte und das estnische Bier genießen.

Tonkrüge mit Steckrüben, Sauerkraut und Schwarzbrot machen die Runde. Gäste prosten einander bei Kerzenschein mit Zimtbier oder Glühwein zu. Mägde mit Hauben und langen Gewändern eilen geschäftig zwischen den Holztischen umher. Die Musiker auf der Empore entlocken Drehleier, Trommel und Flöte urige Lieder und Tänze. Im Tallinner Gasthaus “Olde Hansa” trifft das Mittelalter auf die Moderne, so wie in vielen Winkeln der estnischen Hauptstadt.

Tallinn, zu deutsch Reval, schmiegt sich seit dem 12. Jahrhundert an den Finnischen Meerbusen und ist die Hauptstadt von Estland, dem nördlichsten der drei baltischen Staaten. Die von Baudenkmälern gesäumten Kopfsteinpflastergassen der Altstadt zählen zum Unesco-Weltkulturerbe. Herzstück der Hansestadt ist der Rathausplatz. Einst stand dort so mancher Bösewicht am Pranger oder verlor sogar seinen Kopf. Heute ist der Ort Kulisse für Märkte, Turniere und Konzerte. Vom 1. Dezember bis zum 7. Januar spiegeln sich beispielsweise die Lichter des Weihnachtsmarktes in der gotischen Fassade des Rathauses.

Die Altstadt gliedert sich in “Oberstadt” und “Unterstadt”. Oben residierten jahrhundertelang Adel und Klerus, unten Kaufleute und Bürger. Eine drei Meter dicke, 16 Meter hohe, vier Kilometer lange und mit 46 Wachtürmen gespickte Stadtmauer umschloss die Altstadt. Nur noch die Hälfte des Wehrringes sind erhalten, 26 Türme trotzten Zerstörung und Verfall. Einige davon sind lohnende Ausflugsziele. Die “Dicke Margarete” sollte die Seefahrer schon von Weitem durch ihren imposanten Umfang beeindrucken. Heute ist in Margaretes Mauern das Schiffahrtsmuseum zuhause. Auf dem Domberg der Oberstadt thront Margaretes männliches Gegenstück, der “Lange Hermann”. Seit seiner Entstehung wehten von seiner Turmspitze viele verschiedene Fahnen. Dänen, Schweden, Deutsche und Russen beherrschten die Stadt. Vom “Kiek in de Kök” lugten die Turmwächter der Überlieferung nach in die Kochtöpfe der Unterstadt. Jetzt beherbergt der größte Kanonenturm des Baltikums ein Museum zur Stadtgeschichte. Neben dem Kiek, im “Mägdeturm”, saßen Tallinns Prostituierte ein. Wer steile Treppen nicht scheut, kann das Turmtrio Nunna, Sauna und Kuldjala mitsamt der dazwischenliegenden Wehrgänge gegen zehn Kronen Eintritt erklimmen.

Reval trat im 13. Jahrhundert der Hanse bei. Federführend in dem Handelsbündnis war Lübeck, seine Architekten und Kunsthandwerker waren begehrt. Die unweit des Rathausplatzes gelegene Heiliggeistkirche zeugt von der engen Verflechtung zwischen den beiden Hansestädten. Dort erwarten den Besucher ein Flügelaltar und eine Kanzel aus der Holzwerkstatt des Lübeckers Bernd Notke von 1483. Notkes gruseliger “Totentanz” ist in der Nikolaikirche ausgestellt und gilt als Tallinns berühmtestes Gemälde.

Tallin teilt mit Lübeck auch die Liebe zum Marzipan. Seit fünf Jahrhunderten ist die Süßigkeit in Estland populär. Im “Marzipanzimmer” der Firma Kalev schauen Besucher Konditoren bei der Gestaltung klebriger Kunstwerke über die Schulter. Das Hüftgold kann im angrenzenden Café getestet werden. Im benachbarten “Weckengang” locken noch mehr Kaffeehäuser. Wer zu viel Süßes in sich hinein gestopft hat, findet nur wenige Schritte weiter in der Ratsapotheke Linderung. In Europas ältester noch in Betrieb befindlichen Apotheke beugten sich bereits im 15. Jahrhundert Gelehrte über Tiegel und Mörser.